04. November 2022 – LIGA Saar will neue Cannabispolitik sehr kritisch begleiten

Drogenberatungen sehen wachsenden Konsum – Aufklärung, Jugendschutz und Regulierung zwingend

Die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland wird von der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege Saar, die maßgeblichen Anteil an Drogenhilfeangeboten im Saarland hat, differenziert betrachtet. Sie wird als „alternativer Ansatz“ nicht pauschal abgelehnt, aber auch nicht bedingungslos befürwortet. Die LIGA Saar plädiert für eine „planvolle und geeignete Umsetzung“ der Freigabe von Cannabis.

„Wir thematisieren dies frühzeitig, weil wir auch unsere Suchthilfesysteme langfristig umstellen müssen“, sagte der LIGA-Vorsitzende Jürgen Nieser. Mit der Legalisierung entstehe gerade bei jungen Menschen der Eindruck, die Droge verliere ihre Risiken. „Es gibt aber keinen risikofreien Konsum.

Man kann Risiken lediglich minimieren und man sollte sie kennen“, sagt Nieser. Seit das Thema der Cannabis-Freigabe politisch diskutiert werde, habe sich auch die Debattenkultur bei den Jugendlichen deutlich verändert. Schon heute würden Jugendliche von „normalem Konsum“ reden und die Droge stark verharmlosen. Dabei seien wichtige Fragen in den Hintergrund getreten. Nach wie vor könnten diese Drogen die Fahrtauglichkeit und Arbeitstauglichkeit beeinträchtigen, das Suchtverhalten insgesamt steigern und gesundheitliche Risiken auslösen. Hier gelte es rechtzeitig angemessen zu beraten und die Zielgruppen zu informieren, wie man dies bei Alkoholkonsum ebenfalls praktiziere.

Insgesamt plädiert die LIGA Saar für eine frühzeitige Präventionsarbeit. Der Allgemeinbevölkerung muss man die richtungsweisende Botschaft vermitteln, dass man auf Cannabis am besten verzichtet. Die Beratungsarbeit der LIGA hat den Anspruch, Abstinenz zu fördern, Konsummotive herauszuarbeiten, Menschen möglichst spät mit dem Konsum beginnen zu lassen und den Rausch möglichst nur dann zuzulassen, wenn er keine weiteren Risiken birgt. „Safer Use“ nennt sich dieses Konzept in der Suchtprävention, eine Beratung zum risikoarmen Gebrauch der Droge.

Wichtige Eckpunkte, die man nicht aufweichen dürfe, seien ein konsequenter Jugendschutz bei der Abgabe von Cannabis, die staatliche Kontrolle des Marktes vom Anbau bis zum Verkauf und eine Festlegung von Höchstabgabemengen. Eine Legalisierung des Privatanbaus sei hier unbedingt abzulehnen. „Im privaten Bereich ist keine Mengenkontrolle gegeben und die Droge wird für Jugendliche problemlos verfügbar“, sagt Nieser. Die LIGA Saar fordert zudem ein Verbot von Produkten mit Aroma sowie THC-haltigen Lebensmitteln wie Lutschern, Keksen oder Getränken. Aus Sicht der Drogenfachleute der LIGA bergen die oralen Konsumformen besondere Risiken, vor allem bei jugendlichen Konsumenten. Auch gelte dem Verbraucherschutz hohe Aufmerksamkeit. Hohe Wirkstoffkonzentrationen und schädliche Beimengungen müssten verhindert werden.

Für das Saarland bedeute das konkret:

  1. Nach dem ersten Schritt der Neustrukturierung der Suchthilfe im Saarland in 2020 gilt es nun auch den zweiten Schritt zu tun. Wir brauchen daher einheitliche Förderrichtlinien für die Suchtberatung und wir brauchen eine mit der Prävention gleichwertige Finanzierung der Suchtberatung.
  2. Dem saarländischen Suchthilfebeirat als Steuerungselement der saarländischen Suchthilfe mangelt es an einer gültigen Geschäftsordnung. Diese ist für eine konstruktive Arbeit des Beirats dringend notwendig.
  3. Das Saarland braucht einen aktuellen Landessuchthilfeplan, in dem beide Kostenträger, Land- und Landkreise/ Regionalverband eingebunden und Fragen der landesweiten Steuerung geklärt sind. Ein Beispiel von vielen wäre z.B. die offene Frage eines gemeinsamen Einstiegs aller Beratungsstellen in bundesweite Digitalisierungsplattformen.
  4. Das Saarland braucht eine Lösung der offenen Frage einer qualifizierten Entgiftung für junge Abhängige.
  5. Die Schnittstellen zwischen Jugendhilfe, Suchtprävention/Suchtberatung und den Gerichten müssen angesichts einer kontrollierten Freigabe neu überdacht und verbessert werden.
  6. Da sich der Konsum von Cannabis insgesamt erhöhen wird, bedarf es einer zusätzlichen und damit stärkeren Ausrichtung der Suchtprävention für Erwachsene und für vulnerable Gruppen.

Die LIGA Saar will den alternativen Ansatz nicht gänzlich ablehnen aber mit ihrer Expertise eng begleiten. Zu erwartende Nachteile müssen rechtzeitig erkannt und es muss gegengesteuert werden. „Der gesamtgesellschaftliche Umgang mit legalen Suchtmitteln ist im Kontext des regulierten Cannabisverkaufs aus fachlicher Sicht weiterhin grundlegend zu hinterfragen. Schließlich ist vom Gesetzgeber sicher zu stellen, dass die Steuereinnahmen, die aus dem Verkauf von Cannabis im Saarland erzielt werden, in voller Höhe der saarländischen Suchthilfe zugutekommen“, sagte der LIGA-Vorsitzende. Die Suchtberatungsstellen im Saarland würden die Entwicklungen aufmerksam begleiten und den politischen Stellen rückmelden. Das soll sicherstellen, dass sinnvolle Standards entwickelt werden könnten.

Hintergrund: Der „LIGA Saar“ gehören die Arbeiterwohlfahrt, die Caritas, die Diakonie, der Paritätische, das Deutsche Rote Kreuz und die Synagogengemeinde Saar an. In den Fachausschüssen „Psychiatrie“ und „Betreuungsangelegenheiten“ sowie der „Saarländischen Landestelle für Suchtfragen“ mit ihren Unterausschüssen „Drogen“, „Prävention“ und „Kinder aus suchtbelasteten Familien“ wird das Gesetzesvorhaben intensiv beobachtet.

Eine Cannabis-Abgabe an Menschen unter 18 Jahren wird von keinem der Mitgliedsverbände befürwortet.